Hier sitze ich also, ein paar Monate nach diesem wundervollen Event. Doch wie kam ich überhaupt auf die Idee mitzufahren?
Inspiriert von einem Menschen aus meinem Umfeld, der an Ultracyclingevents teilnimmt, folgte bzw. folge ich auf Instagram zahlreichen Veranstaltungen und auch Teilnehmer*innen. Dem Kollektiv TWAR (The Women all Ride) folge ich tatsächlich schon länger. Und auch mit Jesko, dem Organisator vom Taunusbikepacking hatte ich im Vorfeld schon mal Kontakt gehabt. Und so kam es, dass ich über viele Kanäle auf die Veranstaltung aufmerksam wurde. Ich dachte mir, ich meld mich mal an. Tatsächlich funktionierte die Anmeldung womit ich nicht gerechnet hatte. Und wie später zu erfahren war, war die Veranstaltung innerhalb von 1 Minute ausgebucht. Während der Eurobike traf ich Jesko (Taunusbikepacking) und Eva (TWAR) persönlich und wurde nochmal bestärkt teilzunehmen. Zweifel blieben, denn
die Veranstaltung war bzw. ist als Gravelstrecke ausgeschrieben. Ich habe aber "nur" ein Carbonrennrad mit 30mm Reifenbreite. Was tun? Es einfach versuchen? Es drauf ankommen lassen? Denn wirkliche Erfahrung mit dem Rad auf Gravelstrecken waren auch nicht vorhanden. Ich war im Zwiespalt. Gewonnen hat letztendlich nicht der Verstand, sonst könnte ich diese und alle folgenden Zeilen nicht schreiben.
Und endlich: Das letzte August Wochenende war da! Wobei das We schon am Mittwoch begann! Also ließ ich meinen Mann mit unserem Fahrradladen und 2 Kindern allein, packte meine Sachen und stieg in den Zug gen Taunus. Nach "nur" 7 Std Zugfahrt von Aachen aus war ich endlich angekommen am Campingplatz The Eppstein Project, wo auch das Taunusbikepacking Event startet.
Die meisten Frauen lagen schon in ihren Zelten und schliefen, dass große Kennenlernen hatte ich also wegen dem Bahndesaster verpasst. Schade eigentlich!
Nach der anstregenden Bahnfahrt war ich zu müde um meine Hängematte aufzuhängen. Und so breitete ich sie einfach auf dem Boden aus und schlief ganz gut und konnte beim gemeinsamen Frühstück und Fotos machen endlich die anderen Frauen kennenlernen.
Aber dann wurde es ernst. Es ging los. Und da waren wieder diese Zweifel, schaffe ich die Strecke mit meiner Ausrüstung?
Ich wusste von Jesko, dass die ersten 30km hart werden würden aufgrund der vielen Höhenmeter. So war es dann auch. Ich weiß nicht mehr wie oft ich mich innerlich gefragt habe, warum ich mich angemeldet hatte. Jedoch fiel es in der Gemeinschaft leichter die Anstiege bzw. die Strecke zu überwinden. Und auch die aufgesprühten Botschaften auf dem Asphalt von Jesko motivierten sehr zum weiterfahren.
Die schlimmsten km waren die hoch zum Jagdschloss Platte. Denn ich hatte zu spät gemerkt, dass ich doch mehr hätte essen sollen und bekam einen Hungerast und wurde noch langsamer. Denn aufgrund der Rennradübersetzung war ich gerade an den Anstiegen eh schon sehr langsam. Und so kam es mir wie eine Ewigkeit vor, bis wir endlich den Biergarten erreichten. Dort konnten wir die Energiespeicher füllen und ich fand in Anja meine perfekte Mitfahrerin. Gemeinsam fuhren wir den Rest der Strecke zusammen bis zum Campingplatz im Wispertal, wo ich mir im Vorfeld schon ein Fässchen gebucht hatte. Da Anja nicht gebucht hatte (und Alternativen rar waren) nahm ich sie kurzerhand mit ins Fässchen.
Nach einer erholsamen Nacht starteten wir mit einer anderen Gruppe gemeinsam in den zweiten Tag. Besonders hart war für mich, dass ich keinen richtigen Kaffee trinken konnte am Morgen. Den gab es erst nach ca 20-30 km am Supermarktbäcker. Dieser war für viele
Frauen die erste Adresse, sodass wir dort viele wiedergesehen haben. Ich hatte auf dem Weg zum Supermarkt Probleme mit der Satteltasche (im Fachjargon: Arschrakete). Die schleifte bei jedem Schlagloch auf dem Hinterrad. Ich hatte zuviel eingepackt. Was nun? Am besagten Supermarktbäcker trafen wir zum Glück auch auf den Komoot Van (dort war auch die Fotografin an Bord), sodass ich mich entschied, ein paar Klamotten abzuwerfen und sie erst Sonntags wieder an mich zu nehmen.
Nachdem ich die Klamotten los geworden war, ging es besser und ich konnte die Arschrakete ordentlich befestigen, ohne dass sie am Hinterrad schliff. Die andere Gruppe war leider zu schnell für Anja und mich, sodass wir wieder zu zweit jeden Hügel bezwangen. Wenn es nicht mehr fahrend ging dann eben schiebend. Das war für mich echt eine Überwindung abzusteigen, aber bei z.T 20% Steigung ging es nicht anders.
Tag 2 endete auch am Campingplatz wo wir auch eine größere Gruppe wieder trafen. Anja traf dort auf ihre Familie, sodass ich Abends mit 3 anderen Mädels meine Energiespeicher mit einer mega guten Pizza wieder auffüllen konnte. Eigenartig war für mich, mich auf einem Campingplatz einzumieten ohne Zelt. Denn ich hatte zum schlafen nur ne Hängematte dabei. Leider gab es auf dem Platz keine Möglichkeit die Hängematte aufzuhängen. Also legte ich mich wieder auf den Boden neben die 3 anderen Mädels, die Bivis dabei hatten. Irgendwann schlief ich endlich auch ein.
Tag 3 startete ich gemeinsam mit Anja, nach einem kurzen Frühstück. Der Kaffee musste wieder durch Supermarktkaffee aus dem Kühlregal ersetzt werden, den ich am Vorabend gekauft hatte. Die ersten km waren endlich mal flach (an der Lahn entlang), sodass wir entspannt einrollen konnten. Doch entspannt sollte es nicht bleiben. Eigentlich war es der Tag mit den wenigsten Höhenmeter. Aber ich hatte vor die Etappe zu verlängern um am Sonntag pünktlich beim Finisher BBQ zu sein. Am Ende waren es dann doch über 100km und 1670 Hm. Dieses Mal trennten sich jedoch die Wege von Anja und mir. Sie übernachtete auf einem Campingplatz und ich fuhr also ein ganzes Stück alleine weiter. Das fand ich nicht schlimm, fragte mich aber nach so 20-30km alleine dann doch wo noch andere Frauen sind. Ich traf sie im nächsten Ort im Restaurant. Der Plan stand fest, wir wollten im Wald übernachten. Denn Schutzhütten gab es nur sehr wenige und manche waren abgeschlossen oder aber auch schon besetzt. Im Wald hatte ich bisher nur einmal übernachtet. Gemeinsam mit meinem Mann hatten wir einen kleinen Overnighter gemacht. Ich war also schon ein bißchen nervös. In der Gemeinschaft ging es mir jedoch gut und ich verlor die Nervosität.
Zu siebt schlugen wir unser Lager am Fuß eines Hochsitzes auf. Und ich war froh, dass ich endlich die Hängematte mal aufhängen konnte. Doch plötzlich hörte ich ein Grunzen, als ich in meiner Hängematte lag. Ich dachte mir sofort, dass das ein Wildschwein ist…und es stakste genau um meine Hängematte herum. Ich erstarrte und mein Herz schlug wie wild. Ich blieb still liegen und horchte in die Dunkelheit. Irgendwann hörte ich das Wildschwein sich lautstark beschwerend weglaufen. Und nun? Schlafen war erstmal kein Thema mehr. Die Angst musste ich bezwingen. Aber wie? Ich musste erstmal an einen sicheren Ort. Da blieb nur der Hochsitz. 2 Std lang saß ich dort oben und googelte auch was ich machen muss wenn ich auf Wildschweine treffe. Auch lauschte ich immer wieder in die Dunkelheit, ich hörte ständig ein Rascheln im Unterholz. Das waren wahrscheinlich Rehe oder Füchse. Irgendwann fühlte ich mich jedoch wieder sicher und stieg wieder in meine Hängematte. Alle anderen (bis auf eine) hörten von alldem nichts und ich wollte auch niemanden wecken.
Ich war sehr froh, als es endlich wieder hell wurde.
Gestärkt mit einem kleinen Frühstück im Wald ging es weiter bis zum nächsten Frühstück beim Bäcker mit Kaffee. Was wir nicht wussten: Ein paar Meter weiter stand der Komoot Van mit Snacks und Getränken! Was wir auch nicht wussten: Pia unsere Fotografin sah uns schon von weitem und wollte Fotos von uns machen. Doch dann drehten wir ab und fuhren zum Bäcker. Sorry, Pia, wir haben dich echt nicht gesehen. Am Checkpoint trafen wir viele andere Frauen wieder und es gab neben dem Gruppenbild schon regen Austausch über die Nacht und andere Erfahrungen.
Nach dem Checkpoint waren es nur noch knappe 30km bis zum Ziel. Ich fand in Sina auf die letzten km eine gute Begleitung. Gemeinsam meisterten wir die letzten Anstiege und gönnten uns einen Blick auf den großen Feldberg, den die meisten Frauen ausgelassen hatten um pünktlich beim BBQ zu sein. 3 km vor dem Ziel hatte ich dann doch noch einen Platten und verlor Dichtmilch. Mit immer wieder nachpumpen kamen wir im Ziel an! Ich war mit dem Reifen noch so abgelenkt, sodass ich mich erstmal darum kümmern wollte. Mit Tipps und Hilfe von Laura konnte ich den Reifen wieder fixen. Denn viel Erfahrung mit Tubeless hatte ich bisher nicht sammeln können. Das fand ich an der Gruppe total super, alle waren so hilfsbereit, so hatte ich das bisher nicht erlebt. Doch dann realisierte auch ich: ZIEL! Ich hatte es geschafft!!! Mehr als 300km und über 5000Hm in 4 Tagesetappen!
Und dann gab es endlich BBQ! Dort saßen alle gemeinsam beisammen und tauschten sich über die vergangenen Tage aus. Denn manche Gruppen hatten wir tatsächlich seit dem ersten Tag nicht wieder gesehen. Das Essen vom The Eppstein Project war mega lecker :)
Und viel zu schnell hieß es Abschied nehmen! Ich entschied mich spontan erst Montags zurück zu fahren, sodass ich den Abend gemeinsam mit Jesko und anderen ausklingen ließ, die auch den Taunus Teaser gefahren sind bzw. gerade eine Teiletappe bewältigt hatten.
Alles in allem ein mega schönes Wochenende! Ich danke TWAR, komoot und Taunusbikepacking für die Orga. Und ein ganz besonderer Dank geht an meinen Mann der mich bestärkt hat, mitzufahren und währenddessen die Kinder und unseren Fahrradladen hütete!
Nach nur 8 Std Zugfahrt war ich wieder in Aachen und total geflasht von diesem We! Gerne wieder!