How to Bikepacking

Der Einsteiger-Guide fürs Campen mit dem Rad von Anke is Awesome

Fotos von

Julian Rohn

Bei ihrem ersten Bikepacking-Trip wusste @anke_is_awesome nicht, was anstrengender ist: bei der riesigen Auswahl an Camping-Ausrüstung durchzublicken – oder anschließend das Treten, weil sie natürlich trotzdem viel zu viel unnötigen Krempel mitgenommen hatte. Warum sollte man beim Zelt auf die Länge des Gestänges achten? Wieso kann eine Isomatte wichtiger für die Wärme sein als ein Schlafsack? Und warum macht Daune oder Synthetik einen wortwörtlich großen Unterschied? Hier gibt’s Antworten, die das Bikepacking-Leben leichter machen.

Eigentlich will man nur aufs Rad und draußen schlafen, fährt aber als Erstes gegen eine Wand an Wissen: Wärmedurchgangswiderstand, Bauschkraft und Wassersäule stehen dem Trip im Weg. Und dummerweise entscheidet die Auswahl des Equipments nicht unwesentlich darüber, wie viel Spaß man später hat.

Braucht man ein Zelt, reicht ein Biwaksack oder nur ein Tarp? Und bei welchen Funktionen kann man Abstriche beim Preis machen und wo lohnt es sich zu investieren? Ich war völlig aufgeschmissen.

Für mein YouTube-Tutorial habe ich deswegen mit einem halben Dutzend Menschen gesprochen, die sich besser auskennen als ich und zum Teil schon Kontinente mit dem Rad überquert haben. Wer lieber Videos schaut als Artikel liest, klickt einfach hier:

Damit aber nicht hektisch mitgeschrieben werden muss, hier das Wichtigste in Textform.

Zelt

Bei Zelten gibt es so viel Auswahl, dass die Entscheidung beim Einschlafen Probleme bereiten kann. Ich würde immer ein Doppelwandzelt empfehlen. Die sind zwar im Packmaß größer und schwerer als einwandige Zelte, aber man hat kein Problem mit Kondenswasser, weil das am wasserdichten Außenzelt kondensiert und im Innenzelt aus Netzstoff bleibt alles schön trocken.

Ein Doppelwandzelt, das aus einem separaten Innen- und Außenzelt besteht, ist praktisch. Dann kann man in einer lauen Sommernacht auch nur das Innenzelt aufbauen, um vor Insekten geschützt zu sein und hat Blick auf die Sterne. Außerdem lässt es sich gut auf zwei Räder aufteilen: einer nimmt das Innenzelt und Gestänge, der andere das Außenzelt und die Heringe.

Denn grundsätzlich gilt: **Immer vor dem Kauf an den Transport denken! **

Beim Zelt für's bikepacking sollte man auf die Größe achten.

Am Rad ist das Gestänge oft ein Problem, weil es bei normalen Zelten meist zu lang für Fahrradtaschen ist. Deswegen haben spezielle Bikepacking-Zelte kürzere Streben, die man zum Beispiel auch zwischen den Lenker eines Gravelbikes oder Rennrads bekommt. Und viele Modelle einen robusten Packsack und Halterungen, damit man sie direkt an den Lenker schnallen kann und sich so im besten Fall eine Tasche spart.


Wichtig: Bei den Gewichtsangaben nachschauen, ob Heringe etc mitgewogen wurden! Da sind die Herstellerangaben nicht immer einheitlich und schwanken auch je nach (Online-)Shop. Sonst vergleicht man am Ende Äpfel mit Wassermelonen.


Meine Produktfavoriten: Bis vor Kurzem waren die „Tiger Wall UL2“ und „Fly Creek UL1“ Zelte von Big Agnes und das „Telos TR2“ von Sea To Summit ziemlich unschlagbar. 2024 kam nun das „Hubba Hubba Bikepack“ für 1 oder 2 Personen von MSR auf den Markt, das in Sachen Größe, Gewicht und Performance problemlos mithalten kann und jetzt schon ein Kassenschlager ist.

Der Packsack des MSR „Hubba Hubba Bikepack 1“ hat einen Rollverschluss, mit dem sich das Zelt stark komprimieren lässt. Dank zwei Gurten kann es direkt am Lenker befestigt werden und zwei Halterungsblöcke sorgen für zusätzliche Stabilität.

Wer zu faul für eigene Recherche ist: Zusammen mit Globetrotter habe ich einen Blog-Artikel aufgestellt, in dem man eine Auswahl an empfehlenswerten Produkten findet – und auch immer erklärt bekommt, warum wir uns für etwas entschieden habe. Ist #werbung, aber darum ging’s mir nicht. Sondern Hilfestellung zu geben, wenn man vor nervigen Kaufentscheidungen steht. Dort gibt’s auch mehr Infos zu Materialien und Verarbeitung, wer sich reinnerden will.

Bivvy oder Tarp

Muss es überhaupt ein Zelt sein? Welches Zeug man braucht, ist total subjektiv. Zwischen Bikepacking-Rennen, bei denen man nur 2 Stunden auf der Parkbank kauert und Glamping liegen Welten!

Ein Tarp ist zum Beispiel unschlagbar in Sachen Packmaß und Gewicht, wesentlich kleiner und leichter als ein Zelt. Aber es bietet wenig Schutz und Komfort. Hilft zwar gegen leichten Niederschlag und Tau, aber nicht gegen Wind und Kälte. Und wo keine Zeltwände sind, kann natürlich alles an Getier durchkrabbeln, von Ameise bis Skorpion. Ist aber immer noch besser als gar kein Schutz gegen Niederschlag. Bevor man nichts mitnimmt, auf jeden Fall ein Notfall-Tarp!

Ein tarp ist eigentlich nur eine Dünne plane die euch vor regen von oben schützt. Kein komplettes Zelt.
Mehr Freiheitsgefühl als mit Tarp geht beim Regenschutz nicht. Der Komfort ist allerdings überschaubar.

Für kurze Trips bei gutem Wetter, bin ich Fan des Biwaksacks. Gerade wenn man allein unterwegs ist, ist ein Bivvy meist kleiner und leichter als ein Zelt, schnell einsatzbereit und wieder verpackt. Man kann zwar nur wenig Zeug mit reinnehmen, sich drinnen auch nicht umziehen, wie im Zelt. Aber man hat im Vergleich zum Tarp einen geschlossenen Raum, der die Wärmeleistung des Schlafsacks erhöht und den man nicht mit Tieren teilen muss.

Nachteile vom klassischen Mumien-Bivvy: Bei starkem Regen läuft’s irgendwann an der Kopföffnung rein. Dann sollte man besser auch noch ein Tarp dabeihaben. Und je nach Modell kann etwas Platzangst aufkommen.

Ich habe deswegen ein Bivvy mit kleinem Gestänge, das eine Kuppel über dem Kopf ergibt. Auch „Hundehütte“ genannt. Das kann man komplett zu machen und fühlt sich trotzdem nicht wie Dosenhering. Außerdem hat‘s ein Moskitonetz für Open-Air-Feeling.

So etwas ist natürlich etwas schwerer, größer im Packmaß und teurer – und je nach Größe kann man dann eventuell auch gleich ein Ein-Personen-Zelt mitnehmen.


Tipp: Wenn man zu zweit ist, sollte man vergleichen, ob ein Zelt nicht genauso gut zu transportieren ist wie zwei Biwaksäcke.
Und: es gibt natürlich auch wortwörtliche Anhänger der Hängematte, aber mir bricht da leider das Kreuz ab.

Hat fast jeder Bergführer im Rucksack dabei: Eine Rettungsdecke in Biwakform. Wiegt fast nichts und hilft so viel mehr als nichts dabei zu haben.

Für kleine Geldbeutel: Als Notfall-Backup für ungeplante oder sehr kurze Übernachtungen gibt es auch Bivvys aus Rettungsdeckenmaterial. Super klein und leicht und dank der Wärmereflektion sehr warm – aber null atmungsaktiv. Man liegt dann echt im eigenen Saft. Das UL Bivi von Mountain Equipment kostet z.B. nur 24,95 Euro und bei dem nur 10 Euro teureren 2 Personen-Modell kann man sich gegenseitig wärmen.

Wichtig: Alles, was keinen Tau abbekommen soll, gut in den Taschen verstauen. Sonst ist das Zeug am Morgen nass. Schuhe lege ich z.B. einfach unten in den Biwaksack, die Radklamotten kommen wenn’s sein muss ans Fußende in den Schlafsack. Ist eklig, hilft aber.

Schlafsack

Die erste Entscheidung in Sachen Outdoor-Bettdecke ist: Daune oder Synthetik? Ich bin Team Daune. Denn Daunen haben das beste Packmaß, weil sie sich extrem klein zusammenquetschen lassen und sind sehr leicht. Und gerade beim Bikepacking sind Packmaß und Gewicht die wichtigsten Faktoren, weil das Equipment rein platzmäßig ans Rad passen und man das zusätzliche Gewicht auch mit den Waden fortbewegen muss. Da kann man sich bei Daune im Verhältnis zu Synthetik in beiden Punkten manchmal bis zur Hälfte sparen.

Daunen haben außerdem die beste Isolationsfähigkeit. Aber obacht: bei Nässe fallen sie zusammen und verlieren besagte Fähigkeit. Wer in der Regenzeit durch Nicaragua fahren will, sollte das bedenken.

Damit es im Sommer in der „Penntüte“ nicht zu heiß wird, sollte man auch auf die Länge der Reißverschlüsse achten.

Kunstfaser ist im Vergleich zu Daune billiger, robuster, pflegeleichter und unbedenklich was das Tierwohl anbelangt. Und: isoliert auch im nassen Zustand und trocknet schneller – obwohl Nässe natürlich grundsätzlich vermieden werden sollte.

Die Nachteile neben Größe und Gewicht: Kunstfaser hat nicht so eine gute Wärmeleistung und kein so schönes Schlafklima wie Daune. Aber unter uns: Das ist primär Geschmacksache welche Eigenschaften einem da wichtiger sind! Nur das Packmaß lässt sich einfach nicht wegdiskutieren.


Wichtig: Immer an den angegebenen Komforttemperaturen orientieren. Nicht am Extrembereich. Man will ja entspannt schlafen und nicht nur gerade so dem Tod entkommen.

Bei Daune gilt: Stopfen, nicht rollen!

Tipp: Daunenschlafsäcke immer in den Packsack stopfen. Beim Rollen zerreißt man sonst möglicherweise die Daunen im Inneren und mindert so die Wärmeleistung. Und morgens vor dem Einpacken auslüften oder mittags nochmal in die Sonne hängen. Dann fängt nichts an zu müffeln.

Isomatte

Auch der beste Schlafsack bringt nichts, ohne eine anständige Isomatte. Denn auf der Schlafsackunterseite liegt man die Füllung platt und ohne gute Matte entsteht dort eine Kältebrücke. Mit einer Matte kann man oft mehr Wärme rausholen als mit einem dickeren Schlafsack! Und man ist flexibler. Dann muss man eventuell keinen teuren Winterschlafsack kaufen, der eh nur selten zum Einsatz kommt.

Looking for Fr...Isomatte? Dann sollte man wissen, was ein R-Wert ist.

Für Bikepacking am besten geeignet, sind Isomatten zum Aufblasen, aka Thermo-Luftmatratzen. Bevor man zu winzigen Ultralight-Modellen greift, sollte man allerdings abwägen: Gewicht + Packmaß im Vergleich zu Isolationsfähigkeit + Komfort.

Für mich steht bei einer Matte nämlich nicht das Gewicht an erster Stelle für die Kaufentscheidung. Sondern: Der richtige R-Wert! Fachbegriff „Wärmedurchgangswiderstand“. Der gibt an, wie sehr eine Matte die gute Körperwärme isoliert und die böse Kälte von unten abhält.

  • Ein R-Wert unter 2 ist nur für den Hochsommer geeignet
  • Ein R-Wert von 2 bis 4 für Frühling bis Herbst.
  • Über 4 wird‘s wintertauglich – je nach Kälteempfinden. Für Frostbeulen wie mich sollte der R-Wert aber das ganze Jahr nicht unter 4 liegen.

Die Annahme „Je dicker die Isomatte, desto höher der R-Wert“ ist übrigens Quatsch. Klar, durch einen größeren Querschnitt der Luftkammern wird die Dämmung erhöht. Aber noch mehr Effekt in Sachen Wärme hat eine isolierende Füllung. Bei Sea to Summit werden z.B. Kunstfaserflocken verwendet, bei Exped Daunen, bei anderen Firmen auch Primaloft.

Bei der Therm-a-Rest „NeoAir XLite NXT“ auf diesem Foto ist z.B. eine Thermocapture-Folie eingearbeitet, als wärmereflektierende Schicht (wie bei einer Rettungsdecke). Ein Tipp dazu: Bei Matten mit Folien im Laden testen, ob sie knistern! Weil: das nervt. Die hier ist z.B. 80% leiser als das Vorgängermodell und das macht einen gewaltigen Unterschied.

Pump up the Jam! Aber nur mit einem Pumpsack.

Tipp: Die Matte nicht mit dem Mund aufpumpen, sondern mit einem Pumpsack. Dann kommt keine Feuchtigkeit ins Innere. Wenn’s blöd läuft, kann sich sonst Schimmel bilden, das Teil wird schwerer und bei Frost hat man Eis in der Matte. Oft ist der Packsack der Matte auch direkt ein Pumpsack. Wenn nicht, man kann einen separaten Pumpsack auch als Packsack, zum Beispiel für den Schlafsack verwenden. Damit Minimalisten wegen den paar zusätzlichen Gramm nicht kotzen. (Smiley!)


Ein sehr gut gemeinter Rat: Egal ob unterm Zelt, dem Bivy oder direkt unter der Isomatte: eine Unterlage ist schlau! Ein kleines scharfes Steinchen schafft es sonst schon, die Matte zu durchlöchern – auch durch einen Zeltboden hindurch und erst recht bei ultrasuperduperlight Matten mit wenig Material. Und trotzdem immer ein Flickset mitnehmen. #sicheristwirklichsicherer, damit man nicht auf dem Boden pennt.

Passende Footprints gibt es von fast jedem Hersteller für die jeweiligen Zelte, man kann aber auch eine beschichtet Picknickdecke mitnehmen. Hauptsache, es liegt irgendwas drunter.

Für kleine Geldbeutel: Viele Leute schnallen sich auch eine zusammenklappbare Schaummatten wie die „Canisp“ von Frilufts auf die Arschrakete. Sind zwar nicht so klein und komfortabel, aber mit 34,95 Euro unschlagbar im Preis und auf jeden Fall besser als zu Hause bleiben!

Wer jedes Gramm wiegt und noch keinen Alte-Leute-Rücken hat, kann auch mit etwas wie der Klymit „Inertia X Lite“ Matte lostuckern, die aus mehr Löchern als Matte besteht. (Ich bin dafür allerdings zu oft beim Osteopathen.)

Kocher und Geschirr

Brauchst du eh nur Kaffee oder gefriergetrocknetes Essen und deswegen nur heißes Wasser zum Überleben? Dann würde ich einen Systemkocher einpacken. Also Kocher mit integriertem Topf. Bei Systemkochern ist der Vorteil, dass die Flamme vor Wind geschützt ist und die Hitze direkt an den Topf kommt. Das spart Brennstoff und die Dinger sind nicht so wackelig wie Kocher mit separatem Topf.

Wem eher minimale Größe und geringes Gewicht wichtig ist, wird stattdessen mit XS-Kochern wie dem Soto „Windmaster“ glücklich oder unschlagbar in Sachen Preis: dem MSR „Pocket Rocket“.

Eine Outdoor-Küche bedeutet immer Extragewicht. Kleines und leichtes Equipment ist deswegen wichtig.

Wer mit klassischen Gaskochern unterwegs ist: immer auch einen Windschutz aus Alufolie mitzunehmen. Damit spart man Zeit und Gas. Sonst muss man irgendwann eine zusätzliche Kartusche einpacken, die mehr Gewicht und Platzbedarf hat.

Bei Töpfen gibt es clevere Lösungen wie integrierte Wärmetauscher. Die nutzen die Hitze des Kochers bis zu 50 Prozent effizienter. Gerade auf längeren Touren kann man dadurch eventuell mit einer Gaskartusche weniger auskommen. Und: Falttöpfe- und Schüsseln sollten in der technischen Entwicklung knapp hinter der Erfindung der Glühbirne erwähnt werden. Grandios praktisch!

Falten spart Platz! Bei Camping-Töpfen wie bei Hundenäpfen. Und: Göffel 4 life!

Tipp: In Europa sind Gaskartuschen meist überall gut erhältlich. Es gibt allerdings unterschiedliche Verschlüsse! Also immer drauf achten, dass die Kartusche zum Kocher passt. Und Achtung vor Campinggaz in Frankreich, das ist ein anderes System.


Lösungen für den Wassertransport, wichtiger Kleinkram wie Licht oder Powerbanks mit Lenkerhalterung gibt’s im Video oder auf der Shopping-Seite. Nicht weil ich reich werden will, aber sonst bekommt der Artikel hier endgültig Überlänge.

Schlaumeiern zum Schluss

Fast genauso wichtig wie das richtige Equipment: Vor dem ersten Trip auf jeden Fall mal eine kurze Runde mit dem voll bepackten Rad drehen und das Schlaf-Setup eine Nacht im Garten oder sonstwo testen! Nichts ist ätzender, als wackelnde Taschen am Bike, oder in der Dämmerung panisch das Zelt aufbauen zu wollen und zu merken, dass man nicht weiß wie. Das sage ich aus beschämender Erfahrung.

Und die Hauptsache ist: MACHEN. Besser mit dem Billig-Schlafsack losziehen, als gar nicht. Und wenn man ein paar Mal unterwegs gewesen ist, merkt man auch schnell, was man wirklich braucht und was das nächste Mal zu Hause bleiben kann.

In diesem Sinne: Happy Cycling! Bikepacking Symbolbild.

Weitere Tutorials zum Thema Bikepacking, welche Taschen es braucht, die richtige Gewichtsverteilung am Rad und eine Vergiss-mein-nicht-Packliste gibt’s bei „How to fahrRad“. Der ersten Fahrrad-Tutorial-Serie, deren Kernkompetenz auf Inkompetenz beruht.
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