Grenzerfahrung

Auf Spurensuche entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze

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Ein Ruf nach Freiheit hallte durch die Straßen, als 1989 die Mauer fiel und das SED-Regime seinem Ende entgegentaumelte. Wenige Monate vor dem Fall der Mauer und damit dem Ende des SED-Regimes wurde ich geboren. Bewusst wahrgenommen habe ich damals wenig und dennoch bin ich im Schatten des Mauerfalls aufgewachsen. Kinderlieder aus der sozialistischen Schallplattenproduktion, Spielzeug aus der UdSSR und natürlich eine Umbruchstimmung, die das Land beherrscht, prägten meine Kindheit.

Grenzstein entlang des Iron Curtain Trails zeigt die ehemalige DDR.

Entlang des ehemaligen Grenzverlaufs zwischen Ost und West, wo einst Stahlzäune, Mauern und Selbstschussanlagen die Menschen ihrer Freiheit beraubten, begebe ich mich auf Spurensuche. Auf zwei Rädern will ich die Narben, die Deutschland bis heute verarbeitet, hautnah erleben.

Die Mauer, die einst trennte, ist heute weitgehend verschwunden. Lokale Bürgerinitiativen haben sie 1989 schnell abgebaut, um sich von diesem Denkmal der Schande zu befreien, das Familien über Jahrzehnte entzweit hat. Doch in den Freilichtmuseen entlang des ehemaligen Grenzverlaufs stehen noch einige Nachbauten und Überreste der Grenzanlagen - ein beklemmender Anblick, der die Schrecken jener Zeit widerspiegelt.

Gravelbike an der deutschen Mauer, der Iron Curtain Trail als bikepacking trip.

Die Grenze war gesäumt von Beobachtungstürmen mit Suchscheinwerfern, Sandstreifen zum Aufspüren von Fußspuren und an einigen Abschnitten auch von Gehegen mit scharfen Wachhunden. Der 3,20 Meter hohe Grenzzaun, an dem zeitweise Selbstschussanlagen und Sprengfallen angebracht waren, vermittelt auch 35 Jahre später ein beklemmendes Gefühl. Bis heute ist unklar, wie viele Menschen an der Grenze ihr Leben verloren - die Arbeitsgemeinschaft 13. August spricht von 957 Grenztoten.

Steile Anstiege: Der Iron Curtain hat auf Topographie keine Rücksicht genommen.
Ehemalige Grenze innerhalb Deutschlands - bikepacken am iron curtain trail.

Was auf dieser Bikepacking-Tour noch Meter für Meter an die Grenzpatrouillen der NVA erinnert, sind die Kolonnenwege. Zweispurige Lochplatten parallel zum ehemaligen Grenzzaun, auf denen Fahrzeuge patrouillieren konnten. Streckenweise geht es steil bergauf und die Gravelreifen rutschen gerne in die Löcher, so dass jede Fahrt zur Rutschpartie wird. Fahrspaß sieht anders aus, aber wenn man will, kann man sich dabei an das ständige Unbehagen und die nötige Ausdauer der Widerstandsbewegung erinnern.

Relikte der alten Grenze innerhalb deutschlands zwischen BRD und DDR mit dem rad als bikepacking trip.

Auf meiner Reise treffe ich Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen - ehemalige Grenzsoldaten aus der BRD, Alt-Hippies aus der Friedensbewegung der 68er und Gastarbeiter aus der Slowakei. Jeder hat seine eigene Geschichte zur Mauer und zum Mauerfall zu erzählen. Doch entlang der Route offenbaren sich nicht nur die vielfältigen Geschichten, sondern auch die vielen Facetten des deutschen Lebens. Von malerischen Dörfern mit Fachwerkhäusern und sanften Hügeln bis hin zu frustrierten Gesichtern an der Supermarktkasse spiegelt sich hier die Vielfalt eines ehemals geteilten Landes wider.

historische Fachwerkhäuser entlang des iron curtain trails in deutschland mit dem Rad erkunden.

Meine Route, eine Mischung aus dem Iron Curtain Gravel Trail von Markus Stitz und dem Eurovelo 13, führte mich über 600 Kilometer und 9000 Höhenmeter - mal auf Schotter, mal auf Asphalt.
Doch mehr als die Kilometer und Höhenmeter waren es die Geschichten und Erfahrungen entlang der Strecke, die diese Reise zu einem eindrücklichen Erlebnis machten.